Daniel Cole
Wolves – Die Jagd beginnt
Thriller
Aus dem Englischen übersetzt von Conny Lösch
ISBN 9783548289229
Auch als E-Book erhältlich.
Motto
»Halte mich nicht für einen Helden …
Ich würde das letzte lebendige Wesen auf Erden töten, um dich zu retten.«
PROLOG
Montag, 4. Januar 2016
11:13 Uhr»Es war einmal … nicht mehr.«Die schneebedeckte Vorstadt zog an den schmutzigen Fenstern vorbei, schwaches Sonnenlicht wärmte den lederbezogenen Innenraum, während sie ihrem Ziel entgegenzuckelten.
»Aber Sie sind es doch, oder?«, bohrte der Mann am Steuer weiter nach. »Sie sind William Fawkes.«
»Einer muss es ja sein«, seufzte Wolf. Der Mann beobachtete ihn im Rückspiegel und richtete den Blick nur hin und wieder zurück auf die Straße. »Gleich hier links ist es.«
Das schwarze Taxi fuhr an den Straßenrand, kam vor einer Auffahrt zum Stehen, der Fahrer ließ den Motor stotternd weiterlaufen.
Wolf zahlte bar, auch wenn es darauf jetzt auch nicht mehr ankam, und stieg aus. Der Wagen fuhr mit Tempo an, noch bevor Wolf überhaupt die Tür hinter sich zuschlagen konnte, und bespritzte ihn mit eisigem Schneematsch, dann verschwand das Taxi um die nächste Ecke. Wolf bereute es bereits, dem aufdringlichen Spitzel ein Trinkgeld gegeben zu haben, und vermutete, dass es ohnehin zu optimistisch gedacht war, sich mit einem Bestechungsgeld in Höhe von einem Pfund vierunddreißig das Schweigen des Mannes für längere Zeit sichern zu wollen. Er wischte sich mit dem Ärmel des langen schwarzen Mantels, der einst Lethaniel Masse – dem Ragdoll Killer – gehört hatte, über die Hose – ein Souvenir aus einem vergangenen Leben, eine Art Trophäe, die ihn an all die Menschen erinnerte, für die er hätte da sein müssen.
Erfolgreich verschmierte er die nassen Spritzer zu noch auffälligeren schmutzigen Striemen und merkte, dass er noch immer beobachtet wurde. Obwohl er weit über zehn Kilo abgenommen und sich einen beeindruckend zotteligen Bart hatte stehen lassen, verrieten ihn seine stattliche Größe und seine strahlend blauen Augen, sobald jemand aufmerksam genug war und einen zweiten Blick riskierte. Auf der anderen Straßenseite stand eine Frau, starrte ihn an und machte sich dabei an einem Kinderwagen und einem vermutlich unter einem Berg Decken versteckten Baby zu schaffen. Sie zog ihr Handy heraus und hielt es sich ans Ohr.
Wolf rang sich ein trauriges Lächeln ab, dann wandte er sich um und trat durch das Gartentor. Ein ihm unbekannter Mercedes, nur zu erkennen an dem aus der Schneeschicht herausragenden Stern, parkte majestätisch und unbeachtet in der Auffahrt. Das vertraute Haus selbst war seit seinem letzten Besuch um ein Drittel gewachsen. Da die Haustür, wie er wusste, immer unverschlossen war, machte er sich nicht die Mühe anzuklopfen, sondern stampfte sich den Schnee von den Schuhen und trat ungebeten in das schwermütige Halbdunkel, das die Diele trotz des wolkenlosen Himmels draußen erfüllte.
»Maggie?«, rief Wolf, dessen Stimme schon brach, nur weil er sich wieder in dem Haus befand und gierig einen tiefen Atemzug aufgesogen hatte – die Luft hier roch nach alten Büchern, Blumenparfüm, gemahlenem Kaffee und hundert anderen Dingen, die unaufgefordert Erinnerungen an glücklichere Zeiten heraufbeschworen. Dies war der Ort, an dem er sich mehr zu Hause gefühlt hatte als an jedem anderen Ort der Welt, die einzige Konstante, auf die er sich seit seinem Umzug in die Hauptstadt hatte verlassen können. »Maggie?!«
Ein Knarzen im oberen Stockwerk durchbrach die Stille.
Auf dem Weg zur Treppe hörte er leichte Schritte über die Dielen huschen.
»Maggie?!«
Eine Tür ging auf. »Will …? Will!«
Kaum hatte Wolf die oberste Stufe erreicht, als Maggie auch schon so stürmisch die Arme um ihn warf, dass sie ihr Wiedersehen beinahe unten in der Diele hätten feiern müssen.
»Oh Gott! Du bist es wirklich!«
Sie umarmte ihn so fest, dass er kaum noch Luft bekam und nichts anderes tun konnte, als sie seinerseits zu drücken, während sie an seiner Brust weinte.
»Ich wusste, dass du kommen würdest«, schluchzte sie mit bebender Stimme. »Ich kann nicht glauben, dass er nicht mehr ist, Will. Was soll ich nur ohne ihn machen?«
Wolf löste sich aus der Umarmung, hielt Maggie auf Armeslänge Abstand, um mit ihr zu sprechen. Die sonst so makellose Frau war Mitte fünfzig, und aufgrund des verschmierten Make-ups und ihrer uneleganten schwarzen Kleidung sah man es ihr ausnahmsweise auch an. Ihre dunklen Locken, die sie sonst altmodisch hochsteckte, was aber natürlich längst wieder modern war, trug sie jetzt offen.
»Ich hab nicht viel Zeit. Wo … wo ist es passiert?«, fragte er und hatte schon mit der ersten der vielen unangenehmen Fragen, die er ihr stellen musste, große Mühe...
© 2020 by Daniel Cole© der deutschsprachigen Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017